Rück- und Weitblick
Boah, wie die Zeit vergeht - heute ist der letzte Tag des Jahres 2018 und wahrscheinlich, ja, ziemlich sicher, wird dieser auch schon vergangen sein, wenn ich diesen Artikel publiziere. Eben erst war Januar, ich hab das Kleid zum ersten Mal übergestreift, das erste Foto gemacht.. Unterdessen sind es 365 Tage im selben Kleid, 365 Fotos, 365 Instagram Posts - unterdessen ist es ein ganzes Jahr. Ich würde jetzt schon gerne über Höhen und Tiefen berichten, doch vielleicht bin ich (oder das Projekt) dafür zu wenig emotional. Klar gab es Tage, an welchen ich lieber etwas anderes angezogen hätte, aber die sind an einer Hand zu zählen. Und klar habe ich an einigen Tagen, etwas gecheatet, vor allem wenn ich krank war oder im Sommer in Italien, wenn es einfach zu heiss war, um etwas anderes als nur den Badeanzug zu tragen. Anfang Jahr hat mich mal eine Journalistin gefragt, ob ich denn besondere Pläne hätte - die Frage hatte mich da total irritiert... hätte ich den Pläne haben sollen? Egal, who cares - es war auf jeden Fall ein gutes Jahr - ein richtig gutes Jahr. Ich habe am Anfang des Jahres gekündigt und dann Schritt für Schritt mein Leben umgekrempelt, ich habe meine Freunde in Düsseldorf und Bamberg besucht, war mit Mischa auf Elba, ich habe hier und da viele spannende Menschen getroffen, angefangen in einem Restaurant zu arbeiten (was schon lange ein Traum von mir war), habe die Gründung von thoose in die Wege geleitet, viel entworfen, genäht, das Crowdfunding auf die Beine gestellt und eben, jeden Tag das gleiche Kleid getragen - ein wunderbar volles, spannendes und bestimmt einzigartiges Jahr.
Was dich bestimmt nach diesen 365 Tagen am meisten interessiert, ist, was mir das Projekt ganz persönlich gebracht hat. Klar, ich habe erstens gesehen wie wenig (Kleidung) man eigentlich braucht, das Projekt hat mich in meinem minimalistischen, fairen und nachhaltigen Konsum bestätigt und mir immer wieder neu die Schönheit des Einfachen und den eingeschränkten Möglichkeiten aufgezeigt. Die allerwichtigste Erfahrung aber war, zu merken, dass es die Leute nicht kümmert, es ihnen nicht einmal auffällt, wenn ich mehrere Tage (in meinem Fall sogar Monate *smile) das Gleiche trage. Wir machen so oft Sachen, oder eben absichtlich nicht, nur weil wir denken, die anderen würden sonst schlecht über uns denken, oder noch schlimmer: reden. Wir machen uns einen riesigen Stress, immer irgendwelche von uns selber festgesetzte Normen zu erfüllen, nur um den anderen zu gefallen, oder zumindest nicht aufzufallen. Doch ich halte das jetzt mehr als früher für Blödsinn - ich will frei sein zu tun, was ich für richtig halte, sei es mich vegan zu ernähren, keinen Führerschein zu haben, mein eigenes Gemüse anzubauen oder eben mehrere Tage die gleiche Kleidung zu tragen. Ich für mich, abgestimmt auf meine Werte und Ideologien. Ganz nebenbei hat das Projekt meinen Stil verfeinert - was die perfekte Grundlage für eine minimalistische Garderobe bildet.
Apropos minimalistische Garderobe: Wie geht es weiter mit dem Projekt und mit dem Kleid? Das Kleid bleibt natürlich in meinem Schrank - ich liebe die Gebrauchsspuren und die Geschichten, die es dadurch erzählt - und ich werde es weiterhin ab und zu tragen, einfach nicht mehr jeden Tag. Vielmehr werde ich Schritt für Schritt eine minimalistische Garderobe zusammenstellen - eine Garderobe bestehend aus wenigen Teilen guter Qualität und ökofairer Herkunft, die ich queerbeet kombinieren kann. Sozusagen ein Schrank voll mit Lieblingsstücken. Für mehr Impulse zu diesem Thema empfehle ich das Buch "Minimal Fashion".
Etris verkauft das Kleid weiterhin auf ihrer Website und seit dieser Woche hängt es auch wieder in Bern im Laden! - ist das nicht toll`?
Ich will aber nicht nur über mich reden, sondern die Gelegenheit nutzen, um Danke zu sagen. Das erste und dickste Merci geht an Etris: Merci für eure Unterstützung mit dem Kleid, merci für die grandiose Zusammenarbeit und eure Freundschaft - ihr seid grossartig! Merci Glore, dass bei euch die Bilder eine zweite, eine analoge Plattform erhalten haben, merci für die vielen Tee`s und die netten Gespräche. Merci Stotz für den Stoff, ohne welchen ich dieses Jahr wohl wie rumgelaufen wäre..? Merci Rebecca für die tollen Shootings und die grossartigen Bilder. Merci Samiras Buchstabenmalerei für die wunderschönen Letterings, die dem Projekt noch mehr Tiefgrund verliehen. Merci Thomas Jakobson, Merci Feuil, Merci Dr. Bronners für eure Unterstützung. Merci an TEDxBern, Walk-In Closet Schweiz, Merci Kleihd, Merci Kleiderberg - Merci habt ihr an euren Events mir und meiner Message eine Bühne gegeben. Merci an das Team von Alternativen.film für eure grandiose Arbeit, euren Film und das mein Projekt Teil davon sein darf. Merci an alle Journalisten, die über das Projekt berichtet haben. Merci Lena (Name geändert), hast du regelmässig meine Texte durchgelesen und korrigiert. Last but not Least: Merci dir liebe*r Leser*in- Merci warst du Teil des Projekts, ich hoffe dass wir, das Kleid und ich, dir eine Inspiration sein konnten.
So, in diesem Sinne wünsche ich dir einen ganz guten Start ins neue Jahr und vergiss nicht: Setzte deine Vorsätze nicht zu hoch an, geh lieber Schritt für Schritt, auch kleine Baby-Schritte sind okay, so lange sie aus Überzeugung gegangen werden. Juhui - schön bist du Teil dieser Bewegung!