KONZERNVERANTORTUNGSINITIATIVE

"wir wollen vorangehen"

Was ist die Konzernverantwortungsinitiative und was bringt sie der Modebranche?

Benjamin Steinweg von Public Eye Bern im Interview mit Isabelle Berger

Isabelle Berger: Benjamin Steinweg, was will die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) kurz erklärt?

Benjamin Steinweg: Die Kovi will, dass Schweizer Unternehmen auch bei ihren Tätigkeiten im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards respektieren. Ein Unternehmen fällt dann unter diese Gesetzgebung, wenn es in der Schweiz entweder seinen Hauptsitz oder wichtige Entscheidungs- oder Produktionsstrukturen hat. Ein solches Unternehmen ist verpflichtet nicht nur bei seinen Geschäften in der Schweiz, sondern auch bei seinen Tätigkeiten im Ausland nachzusehen, ob es sich dort an international anerkannte Menschenrechte und an international anerkannte Umweltstandards hält. Es muss dann über bestehende Risiken und seine Gegenmassnahmen öffentlich berichten. Tut es dies nicht und kommt es beispielsweise zu Menschenrechtsverletzungen in seinem Einflussbereich, können die Geschädigten das Unternehmen in der Schweiz auf Schadensersatz verklagen.

Wer steckt hinter der Kovi?

Die Kovi ist eine sehr grosse Koalition von über 90 verschiedenen Gewerkschaften, NGO’s, Frauen- und Kirchenverbänden, also unterschiedlichsten sozialen Institutionen jedoch keinen politischen Parteien. Mit dabei sind viele grosse NGO’s, die man kennt: Von Public Eye, Amnesty International oder Greenpeace bis zur Feministischen Friedensarbeit durch den Christlichen Friedensdienst, Brot für alle und viele weitere. Es ist eine breit abgestützte Initiative, die über die Jahre hinweg stark gewachsen ist. Auch namhafte Unternehmen wie zum Beispiel der Kosmetikhersteller Weleda oder das Metallbauunternehmen Ernst Schweizer sind dabei.

Welche Ziele von Kovi betreffen die Textilindustrie?

Die Textilindustrie ist in mehreren Bereichen betroffen. Wenn es zum Beispiel um die Färbung von Stoffen geht, haben wir Prozesse, die die Umwelt stark belasten können. Dort ist die Frage, wie gehen die Firmen mit ihren Abwässern und Abfällen um, und hier ist es wichtig klare Regeln festzuschreiben. Noch entscheidender und in der öffentlichen Wahrnehmung schon prominenter vertreten sind die Arbeitsbedingungen, die in der Textilindustrie grossteilig prekär sind. Löhne, von denen die Arbeiterinnen nicht leben können oder ungenügende Sicherheitsbedingungen, wie man es vom Fabrikeinsturz in Rana Plaza oder vom Brand in der Kleiderfabrik in Karatschi in Pakistan mitbekommen hat. Hier gilt es sicherzustellen, dass die Menschen sichere Arbeitsplätze haben.

Welche Auswirkungen könnte Kovi auf die Textilindustrie konkret haben?

Die Kovi beinhaltet für die Konzerne vor allen Dingen zwei Mechanismen: Der erste ist, dass die Firmen durch ihre Zulieferkette hindurch kontrollieren müssen, wo es Risiken gibt. Das heisst, in welcher Branche oder in welchem Land sie tätig sind, wo möglicherweise Menschenrechte verletzt werden könnten? Darüber müssen die Firmen berichten. Dieser Bericht, die sogenannte Sorgfaltsprüfung, ist der erste ganz wichtige Teil, denn dadurch wird in den Konzernen ein Bewusstsein dafür geschaffen, worauf geachtet werden muss. Der zweite Mechanismus ist jener der Durchsetzung. Firmen können zur Verantwortung gezogen werden, wenn es zum Beispiel ein Unglück gibt, ein Gebäude einstürzt, Menschen arbeitsunfähig werden, medizinische Versorgung brauchen. Die Geschädigten können dann in der Schweiz auf Schadenersatz klagen. Für die Textilindustrie ist der erste Mechanismus besonders wichtig, weil die Zulieferkette lang und komplex ist und es ganz klar Orte gibt, wo die Risiken besonders hoch sind. Wenn die Firmen verpflichtet werden hinzugucken, werden hier Veränderungen angestossen.

Und was bringt Kovi der Schweiz?

„Made in Switzerland“ ist ein Markenname. Die Kunden und Kundinnen verlassen sich darauf, dass das, was unter diesem Namen produziert wird, Qualität ist. Anders sind die hochwertigen, aber auch hochpreisigen Produkte der Schweiz gar nicht zu verkaufen. Wenn Skandale passieren wie derjenige in Rana Plaza, wo über tausend Menschen umkommen, dann ist das ein Reputationsschaden, den sich die Marke Schweiz schlicht und ergreifend nicht leisten kann. Ich habe vorhin erwähnt, dass es durchaus Unternehmen gibt, die sich vorbildlich einbringen. Hier muss ein sauberer Markt geschaffen werden, der vorbildliche Unternehmen im Wettbewerb nicht benachteiligt. Bezüglich der Textilbranche können gerade junge Modelabels aus der Schweiz, die ihre Zulieferer kennen, stark profitieren. Um es zusammenzufassen: Die Qualitätsmarken profitieren aufgrund eines fairen Marktes und die Marke Schweiz sichert sich ab gegen ein Reputationsrisiko. Das ist ein positiver wirtschaftlicher Aspekt. Dass die Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltkatastrophen unser aller Ziel ist, darüber herrscht denke ich sowieso Einigkeit.

Gibt es in der Schweiz Textilunternehmen, die von der Initiative betroffen wären?

Im Tessin gibt es das sogenannte Fashion Valley, wo sich aufgrund einer bewussten Tiefsteuerpolitik viele grosse Modefirmen wie zum Beispiel Hugo Boss angesiedelt haben. Diese lassen auf eine Art und Weise produzieren, die Risiken für Menschenrechte bedeutet. Hier würde die Sorgfaltsprüfungsplicht greifen. In Bezug auf die Haftbarkeit, also ob es danach tatsächlich zu Strafzahlungen kommt, ist die Modebranche ein schwieriger Bereich. Eine Bestellung wird oft auf viele Zulieferer verteilt, welche wiederum für verschiedene Auftraggeber produzieren. Das beschränkt die Handlungsmöglichkeiten der auftraggebenden Firmen und damit auch ihre Verantwortung. Insofern ist es schwierig nachzuweisen, dass eine Firma in einem bestimmten Fall verantwortlich ist. Dass der Haftungsmechanismus hier greift, ist somit nicht sicher. Aber bereits der erste Teil, die Firmen zu Transparenz zu verpflichten, würde mit Sicherheit Fortschritt bringen.

Dass Firmen wegen dieser Initiative die Schweiz verlassen würden, ist nicht zu erwarten?

Die Schweiz hat als Standort mehr zu bieten als schlechte Gesetze in Bezug auf Arbeitnehmerrechte im Ausland. Faktoren wie die Stabilität des Landes, qualifizierte Arbeitskräfte und der Lebensstandard sind für diese Firmen viel wichtiger. In Frankreich, wo kürzlich wesentlich strengere Gesetze eingeführt wurden, sind keine Firmenabwanderungen zu beobachten. Die Fluchtmöglichkeiten sind zudem begrenzt. Die Bewegung ist auch in weiteren Ländern mit sicheren Bedingungen, gut qualifizierten Arbeitskräften und einem stabilen Rechtsstaat im Gange. Viele Länder kennen heute schon Sorgfaltsprüfungspflichten und auch Haftungsmechanismen sind beispielsweise bereits Teil des britischen, holländischen oder französischen Rechts. Die Schweiz darf hier nicht weiter ins Hintertreffen geraten. Wir wollen vorangehen.


"Viele Länder kennen heute schon Sorgfaltsprüfungspflichten und auch Haftungsmechanismen sind beispielsweise bereits Teil des britischen, holländischen oder französischen Rechts. Die Schweiz darf hier nicht weiter ins Hintertreffen geraten.

Wir wollen vorangehen."


Bringen solche Gesetze auch wirklich etwas?

Für die Textilindustrie gibt es bislang keine vergleichbare Gesetzgebung, die auch lange genug in Kraft wäre, um eine Wirkung beziffern zu können. In anderen Bereichen mit entsprechenden neuen Gesetzen lässt sich dies aber feststellen. Ich nehme mal als Beispiel das Anti Corruption Law in England, welches Korruption im Ausland verhindern soll. Seit das Gesetz eingesetzt wurde, wurden überhaupt erst mal Richtlinien innerhalb der Konzerne und an die Zulieferer ins Ausland durchgegeben. Zum Teil existierte für das Korruptionsproblem zuvor überhaupt kein Bewusstsein.

Nochmals zugespitzt: Wie wichtig ist Kovi für die Textilindustrie?

Die Textilindustrie ist eine Industrie, in der Kovi ganz besonders wichtig ist. Die Umstände, wie sie die krassen Beispiele der letzten Jahre wie Rana Plaza oder andere Fabrikunglücke illustrieren, sind ein Dauerzustand in der Textilindustrie. Man muss einfach sehen, dass die freiwilligen Verbesserungsmassnahmen, die von Teilen der Politik immer fromm gewünscht werden, nicht reichen.

Und zuletzt: Wo kann ich mich weiter zur Kovi informieren und wie kann ich die Initiative unterstützen?

Am besten über die Webseite www.konzern-initiative.ch. Dort kann man sich auch für den Newsletter eintragen und sich einer der vielen regionalen Gruppen anschliessen, wo sich Freiwillige für die Initiative engagieren. Man kann sich auch mit dem eigenen oder dem Unternehmen, in dem man beschäftigt ist, hinter die Initiative stellen oder natürlich die Kampagne finanziell unterstützen. Zudem kann man derzeit Kovi-Fahnen bestellen und diese bei sich zuhause ans Fenster oder den Balkon hängen kann.


Fotos: martinbichsel.ch

Public Eye: publiceye.ch

zur Regionalgruppe Bern geht`s hier.

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Zippora Marti

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